Star Trek - The Next Generation: 35
"The Measure Of A Man" (Wem gehört Data?)

Hauptseite
Staffel2
34: "A Matter..."
36: "The Dauphin"
US-Erstsendung:
11.2.1989

ZDF-Erstsendung:
14.2.1992

Regie:
Robert Scheerer

Drehbuch:
Melinda Snodgrass

Gaststars:
Amanda McBroom
als Captain Louvois

Clyde Kusatsu
als Admiral Nakamura

Brian Brophy
als Bruce Maddox

Colm Meaney
als O'Brien

Whoopi Goldberg
als Guinan

Inhalt:

SzenenbildDie Enterprise nimmt Besatzung und Geräte auf einer neuen Raumstation auf. Data erhält von Commander Maddox einen Versetzungsbefehl: Maddox ist Kybernetiker und will Data auseinandernehmen, um weitere Androiden herstellen zu können. Data hält das Vorgehen für zu gefährlich und lehnt ab. Er ist nicht sicher, ob ihn Maddox wieder zusammensetzen könnte. Um seine Ablehnung durchzusetzen, muss Data allerdings aus der Sternenflotte austreten. Doch selbst das erscheint unmöglich: Maddox behauptet, Data sei Eigentum der Sternenflotte und könne nicht über sich selbst entscheiden. Nachforschungen zeigen, dass Maddox tatsächlich im Recht sein könnte.

Picard will Datas Rechte verteidigen, was zu einer Anhörung führt. Die zuständige Juristin und Picard haben eine gemeinsame Vergangenheit; sie trat einmal vor einem Militärgericht gegen Picard an. Da die Raumstation noch neu ist und kaum Personal hat, muss Riker die Gegenseite vertreten – würde er sich weigern, so würde ein summarisches Urteil gegen Data gefällt aufgrund der bestehenden Rechtslage. Riker übernimmt die Aufgabe und versucht zu beweisen, dass Data nur eine von Menschen erbaute Maschine ist, indem er auf seine große Stärke hinweist und zeigt, dass man ihn auseinandernehmen und auch ausschalten kann. Picard hält dem entgegen, dass auch Menschen nur Maschinen sind und Data ebenso über Bewusstsein verfügt wie Menschen, so dass ihm auch die gleichen Rechte zuteil werden müssen. Außerdem würde es sich laut Picard bei einer neuen "Androidenrasse" um Sklaven handeln, wenn man ihnen keine Recht gäbe. Die Entscheidung fällt letztlich zu Datas Gunsten aus. Riker hat ein schlechtes Gewissen, weil er die gegnerische Seite vertreten musste; Data erklärt ihm aber, dass seine Rechte nur dank der Anhörung festgelegt werden konnte, die ohne Riker gar nicht hätte stattfinden können.

Kommentar:

Die zweite Season musste zu dieser Episode führen. "The Measure of a Man" nimmt sich der Frage an, ob Data die gleichen Rechte wie ein Mensch habe. Pulaski verbringt die Hälfte ihrer Szenen in dieser Season damit, Datas Anspruch auf diese Rechte abzustreiten. Sie weigert sich, Data als intelligente, empfindungsfähige Lebensform zu akzeptieren. In "The Schizoid Man" behauptete die Figur Ira Graves, sein menschliches Bewusstsein habe mehr Recht zu existieren als Datas, so dass er Datas Körper übernehmen dürfe. Hier nun wird das Thema von Datas Rechten endlich beleuchtet. Es ist eine dialoglastige Episode, die vor allem aus Argumenten und Gegenargumenten besteht. Diese Bereitschaft, ein Thema eingehend und ruhevoll zu behandeln, ist typisch für die "Next Generation" und hat auch großes Lob verdient. Leider ist die eigentlich Diskussion weniger erbaulich: Die meiste Zeit wird schlecht argumentiert oder auf eine Weise, die den Kern der Sache völlig verfehlt.

Die Episode beginnt mit einigen harmlosen, aber unästhetischen Zufällen: Die Enterprise fliegt eine Raumstation an, auf der zufällig eine alte Bekannte von Picard als Juristin tätig ist. Weshalb das wichtig sein soll, wird nie erklärt; es spielt letztlich keine Rolle in der Geschichte und sollte wohl nur die Juristin einführen. Des Weiteren ist die Raumstation brandneu, so dass eine Anhörung nur gehalten werden kann, wenn Picard und Riker die zwei gegnerischen Seiten vertreten. Spätestens hier muss man eine verwunderte Augenbraue heben: Wie gerecht kann ein System sein, wenn unter diesen Umständen keine Verschiebung erlaubt wird? Natürlich ist es im Grunde ganz interessant, Riker und Picard zu widerwilligen Gegnern zu machen. Schade nur, dass die beiden nichts als ein enttäuschendes Argument nach dem anderen vorzubringen haben. Damit wird sich der Rest dieser Besprechung beschäftigen.

Die Frage der Anhörung scheint zu sein: Ist Data Eigentum? Rikers Argumente sprechen aber diesen Punkt nicht direkt an. Die Überlegung dahinter könnte sein, dass Data entweder Eigentum oder eine intelligente Lebensform sein kann, aber nicht beides. Das entspricht den Werten des Star Trek Universums, in dem Leibeigentum sicherlich nicht gutgeheißen würde. Deshalb zielen Rikers Argumente darauf ab, Data als "Automaten" darzustellen, der keinen Anspruch auf Entscheidungsfreiheit hat. Kein einziges von Rikers Argumenten überzeugt. Geradezu unsinnig erscheint die Demonstration von Datas übermenschlicher Kraft. Was kann daraus geschlossen werden? Um im Serienuniversum zu argumentieren: Wäre ein Nausikaaner auch kein Lebewesen für Riker, nur weil die Nausikaaner über große Stärke verfügen? (Vgl. "Samaritan Snare", "Tapestry".) Des weiteren zeigt Riker, dass sich Data auseinander nehmen lässt, und dass man ihn ausschalten kann. Wiederum sehe ich die Bedeutung nicht ein: Man könnte mir grundsätzlich auch einen Arm abnehmen und ihn wieder montieren, auch wenn es große chirurgische Fertigkeit verlangen würde; und ein Bild kann man zerreißen und damit unwiederbringlich zerstören, aber es ist deswegen kein Lebewesen. In "The Next Generation" sahen wir zudem bereits Menschen, die tiefgefroren und nach Jahrhunderten wieder belebt wurden, so in "The Neutral Zone" (dt.: Die neutrale Zone). Wie unterscheidet sich das davon, jemanden "auszuschalten" und dann wieder "einzuschalten"? Rikers Argumente sind deshalb keineswegs zwingend, und sie haben keine Bedeutung für die Frage, ob Data ein Lebewesen sei, während er voll zusammengesetzt und eingeschaltet ist. Es wirkt also seltsam, wenn die Figuren der Serie so tun, als ob Riker seine Sache sehr gut vertreten hätte.

Picard vertritt seine Seite mit größerem dramatischem Flair. Er will von Anfang an gar nicht abstreiten, dass Data eine Maschine sei – schliesslich seien auch Menschen Maschinen, wenn auch von ganz anderem Typ. Das deckt sich gut mit einer ganz ähnlichen Bemerkung, die Picard in "Datalore" (dt.: Das Duplikat) machte. Es deckt sich auch mit Picards Bereitschaft in "Home Soil" (dt.: Ein Planet wehrt sich), auch nichtorganisches Leben zu akzeptieren. Die Aussage selbst ist sicherlich nicht so unumstritten, wie es hier klingen mag; sie passt aber in das naturalistische Universum von "Star Trek". Picards zweites Argument ist wiederum weniger einleuchtend: Er sagt, Rikers Verweis auf die Tatsache, dass Data von einem Menschen geschaffen wurde, sei nicht von Bedeutung – schließlich würden auch Kinder aus dem genetischen Material ihrer Eltern "geschaffen". Der Vergleich passt überhaupt nicht, da menschliche Eltern ihre Kinder weniger "bauen" als "in Auftrag geben", wohingegen Datas Schöpfer tatsächlich eine Maschine erdachte und baute. Picard hätte wohl besser erklärt, der Ursprung eines Wesens sei nicht von Bedeutung für die Frage, ob das Wesen lebendig sei oder nicht. Ändert sich meine Lebendigkeit je nachdem, ob ich das Produkt natürlicher Auslese oder eines Schöpfers bin? Picards Argument verfehlt also den strittigen Punkt.

Picards restliches Argument hat zwei Stufen. Im ersten Teil versucht er zu zeigen, dass Data selbst nach den Maßstäben des Ingenieurs Maddox als intelligente Lebensform gelten müsste. Das ist nun eine clevere Strategie. Es muss doch irgendwann eine Definition für künstliche Intelligenz geschaffen worden sein. Maddox nennt unter anderem die Kriterien "Intelligenz" und "Selbstbewusstsein" sowie "Empfindungsfähigkeit". Das ist vielleicht keine sehr greifbare Definition. Dennoch: Data erfüllt diese Ansprüche derart offensichtlich, dass man sich wundern muss, weshalb Maddox je eine andere Ansicht vertreten konnte. Datas Bewusstsein lässt sich von einem menschlichen Bewusstsein offenbar auch für ihn nicht unterscheiden, so dass es aus Prinzip gleich behandelt werden muss und die gleichen Rechte besitzt. Vielleicht war Maddox von seinen ehrgeizigen Plänen verblendet? Das würde dann auch erklären, weshalb er Riker – der ja gewissermassen seine Vertretung war – keine besseren Argumente nennen konnte!

Im zweiten Teil erklärt Picard, dass das Urteil weitreichende Folgen haben werde: Schliesslich könnte man eines Tages eine ganze Armee von Androiden bauen – und wenn Data keine Persönlichkeitsrechte anerkannt würden, wie würden sich dann all diese Androiden von Sklaven unterscheiden? Diese Aussicht scheint die Richterin umzustimmen. Das ist sehr verwirrend, denn es geht an der Frage vorbei, ob Data ein Lebewesen sei. Falls er eines ist, so darf er nicht versklavt werden, weil ihm die gleichen Rechte gebühren wir anderen Lebewesen. Selbst ein einziger Data ohne Rechte wäre ein Sklave, und das Unrecht wäre bereits getan. Wäre er allerdings tatsächlich nur eine Maschine ohne Intelligenz und Selbstreflexion, so könnte man hunderttausend Datas in der Sternenflotte dienen lassen und würde doch keine Sklaverei betreiben. Denn versklaven kann man nur Lebewesen; andernfalls müsste man auch von der Versklavung der Toaster und Kaffeemaschinen sprechen.

Die letzte große Enttäuschung der Episode ist die Aussage der Richterin, es gehe also um die Frage, ob Data eine Seele habe. Als Juristin sollte sie sich doch davor hüten, derart schlecht umschriebene Begriffe einzuführen. Was meint sie damit? Ist eine "Seele" etwas anderes als Intelligenz, Bewusstsein und Selbstreflexion? Ist es am Ende gar etwas Göttliches? Um diesen Anstrich kommt der Ausdruck nämlich nicht herum, wenn man ihn nicht genau definiert. Und der Glaube an etwas Unfassbares, Unbewiesenes wie eine Seele entspricht kaum einer vernünftigen Person in diesem naturalistischen Universum – und was die Anhörung betrifft, so ist der Begriff nicht hilfreich. Diese Verwirrung mag einen vielleicht nicht mehr überraschen, wenn man bedenkt, wie weit schon Picards letztes Argument das Thema verfehlte.

"The Measure of a Man" ist eine gut gemeinte Episode mit vielen Schwachstellen, vor allem Lücken in der Logik. Die Episode enthält sehr viele interessante Ansätze und zeigt die Bereitschaft der Serie, sich gewichtigen Themen anzunehmen. Aber was das Thema von Datas Bewusstsein angeht, so ist dies keineswegs das abschliessende Werk; eher ist es der Ausgangspunkt für fruchtbarere Diskussionen. In der sechsten Season wird die Episode "The Quality of Life" (dt.: Datas Hypothese) einen viel interessanteren Beitrag zur Frage leisten, ab wann wir eine künstliche Intelligenz als neue Lebensform verstehen und entsprechend behandeln müssen.

Bemerkenswertes:

Nach dem Verlust der Stargazer kam Picard vor ein Kriegsgericht, was ein übliches Vorgehen im Falle des Verlusts eines Schffes ist. Wir erfuhren von seinem unglücklichen früheren Raumschiff in "The Battle" der ersten Season (dt.: Die Schlacht von Maxia). Die Anklage wurde vertreten von Phillipa Louvois, die wir in dieser Episode das erste und letzte Mal sehen. Das Urteil muss für Picard positiv ausgefallen sein, sonst wäre er kaum Captain der Enterprise geworden. Louvois ist eine Juristin: Soweit ich mich erinnere, ist sie die erste im Star Trek Universum, sicherlich aber die erste in der "Next Generation". Interessant, dass offenbar beide französischer Herkunft sind. Gemäß Nemeceks "Companion" waren Picard und Louvois ein Paar, aber die Episode beantwortet diese Frage nicht ganz eindeutig; ihre Beziehung war sicher mehr als nur beruflich.

Die Serie baut ihr Universum aus: Die neue Raumstation befinde sich nahe der neutralen Zone, was für eine strategisch kluge Entscheidung gehalten wird aufgrund der Rückkehr der Romulaner ("The Neutral Zone", dt.: Die neutrale Zone) und der "beunruhigenden" Vorfälle in der Umgebung der Zone. Letzteres ist eine Anspielung auf die Borg, die in "Q Who" (dt.: Zeitsprung mit Q) erstmals zu sehen sein werden. Es gab bereits in "The Neutral Zone" dahingehende Anspielungen, die dann allerdings nicht näher erforscht wurden. Ursprünglich sollten die Borg schon damals eingeführt werden, was allerdings aufgrund des Streiks der Writer's Guild unmöglich wurde (siehe Nemecek).

Die Episode prägt die Serie mit dem ersten von vielen Pokerspielen.

Maddox arbeitet am Daystrom Institut, das nach einer Figur in der Episode "The Ultimate Computer" (dt.: Computer M5) von "Star Trek" benannt wurde.

Im englischen Original leitet Louvois das "JAG office" – JAG steht für "Judge Advocate General", den Generalstaatsanwalt des Militärgerichts.

Nitpicking:

Data sagt, er habe sich ausgiebig über Poker informiert und sei doch nicht für das tatsächliche Spielen vorbereitet gewesen. Soweit ich es verstehe (und ich spiele kein Poker), bestand Datas Fehler vor allem darin, dass er Rikers hohen Einsatz für bare Münze nahm (Räusper) und dachte, Riker habe entsprechend hohe Karten. Diese Naivität wäre glaubwürdig, wenn Data nur die nackten Regeln gelernt hätte – aber wie kann eine sich Data eingehend mit dem Thema beschäftigt haben, ohne über das Bluffen zu erfahren?

Riker muss den Advocatus diaboli spielen, weil die neue Raumstation noch nicht über das nötige Personal verfügt, ansonsten würde automatisch gegen Data entschieden. Ist das nicht ein harsches und unfaires System? Warum kann man nicht warten, bis das nötige Personal zugegen ist, um die Fragen dann zu klären? Es ist ja ganz offensichtlich, dass nur so Gerechtigkeit getan werden kann.

Weshalb kann sich Riker nicht einfach für befangen erklären, was er ganz offensichtlich ist? Die Wort "harsch" und "unfair" drängen sich wieder auf. Es wird uns hier eine halsstarrige, uneinsichtige und unvernünftige Sternenflotte präsentiert, was ganz und gar nicht ins grössere Bild passt.

Ist die Leitung der Sternenflotte tatsächlich so kurzsichtig, dass sie Data lieber riskieren würde, als noch ein wenig abzuwarten, bis dass die Grundlagenforschung weiter fortgeschritten ist und Data gefahrlos untersucht und dupliziert werden kann? Wenn er einmal zerstört ist, kann man von ihm in Zukunft auch nichts mehr lernen.

Zitate:

Picard: "It's been ten years... but seeing you again like this makes it seem like fifty. If we weren't around all these people, do you know what I'd like to do?"
Louvois: "Bust a chair across my teeth?"
Picard: "After that…"
Louvois: "Oh, ain't love wonderful?"

Picard zu Louvois: "Well, I hope you've learned some wisdom along the way."

Louvois zu Picard: "You know, I never thought I would say this, but it's good to see you again. It brings a sense of order and stability to my universe to know that you're still a pompous ass. And a damned sexy man."

Picard: "Well, we have a problem."
Data: "I find myself in complete agreement with that assessment of the situation."

Rechtssprache ist Rechtssprache, wie es scheint, auch im 24. Jahrhundert: Picard bezeichnet die Bestimmungen, die er nicht versteht, als "goobledygook". Um es Data gleich zu tun und eine Definition aus dem Webster's zu nennen: "slang: talk or writing, especially of officialdom, that is pompous, wordy, involved, and full of long, Latinized words".

Einschaltquoten (von Martin Seebacher):

Mit einem Rating von 11.3 und einem 5. Platz konnte sich diese Next Generation Folge gut in den akerikanischen Syndication Charts plazieren.

In Deutschland wurde mit nur 1,16 Millionen Zuschauern nur eine sehr schwache Quote erreicht, die aber mit den folgenden Episoden noch weiter unterboten wurde.

Star Trek Shop
Top
34: "A Matter..."
36: "The Dauphin"
Letztes Update:
21. April 2002

©2002 Rafael Scholl.